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Ukrainekrise und ein mögliches Gasembargo

Nach anfänglichem Zögern sind die Maßnahmen der Bundesregierung, sich in europäischer Zusammenarbeit an den Sanktionen zu beteiligen und durch Waffenlieferungen direkt Hilfe bereitzustellen, die angemessene Antwort. Von einiger Seite (z.B. Bachmann 2022) werden durch ein umgehendes Embargo der Gaslieferungen noch entschiedenere Sanktionen gefordert. Bachmann et al. (2022) taxieren den Verlust des deutschen Bruttoinlandsprodukts durch ein Ausfallen der Gaslieferungen auf maximal 3 Prozent. Andere (z.B. Fuest 2022, Hüther 2022) äußern sich diesbezüglich vorsichtiger und warnen in Anbetracht der wirtschaftlichen Verflechtung vor den ökonomischen und sozialen Folgen eines solchen Schrittes. Eine sehr umfassende tiefgehende Kritik hat Tom Krebs in diesem Beitrag geäußert.

Bei allem Leid, das das ukrainische Volk durch die russische Aggression erfährt, ist es unabdinglich, bedacht zu reagieren und zum jetzigen Zeitpunkt kein Embargo der Gaslieferungen vorzunehmen. Ein solches könnte der deutschen und der gesamteuropäischen Wirtschaft und den Menschen weit mehr Schaden zufügen als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nahelegen. Krebs betont korrekterweise in seinem Beitrag die durch Bachmann et al. (2022) vernachlässigte Nichtlinearität der Effekte. Darüber hinaus wäre der Nutzen einer solchen der Sanktion womöglich gering. Zum einen ist es unklar, ob dies eine Wende durch ökonomische Kosten herbeiführen würde, da Russland leicht nach Indien und China ausweichen kann. Zum anderen haben Sanktionen über das Einfrieren von Devisen ohnehin stärker greifen (Konrad und Thum, 2022). Darüber hinaus könnten die politischen Implikationen und etwaige Überreaktionen der russischen Führung weitaus gravierendere Folgen haben. Von daher betrachte ich den von Kanzler Scholz und Wirtschaftsminister Habeck eingeschlagenen Weg der herantastenden aber entschiedenen Schritte, durch Alternativen wie Flüssiggas und Wasserstoff den Gasimport aus Russland zu reduzieren, als richtig.[1] Falsch ist jedoch, nicht den Weg zurück in die Atomenergie einzuschlagen, wie ich an anderer Stelle bereits im Herbst betont habe. Trotz dieser Einschränkung wird durch die Reaktion der Bundesregierung gegenüber Russland verdeutlicht, dass mit dem derzeitigen Regime eine wirtschaftliche Zusammenarbeit keine Zukunft hat. Glücklicherweise ist der Winter vorüber, so dass der Politik 6 Monate gegeben sind, um Energieabhängigkeit von Russland zu reduzieren.

Andererseits halte ich eine Doppelstrategie für sinnvoll, zum einen durch die beschlossenen Sanktionen, zum anderen aber indem nach dem Vorbild eines Marshallplans eine wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Zukunft bei Beendigung des Krieges unter einem neuen Regime in Aussicht gestellt wird. Nach einer solchen würde ein wirtschaftlicher Entwicklungsplan für die gesamte Region erarbeitet. Schließlich wird Russland auch nach einem hoffentlich baldigen Ende des Krieges unser europäischer Nachbar sein und es gilt, langfristig unter einem anderen Regime die Zusammenarbeit zu suchen.

Bachmann, R. (2022): „Ein Gas-Embargo gegen Russland wäre für Deutschland verkraftbar“, Interview im Tagesspiegel, 24. März 2022.

Bachmann, R., D. Baqaee, C. Bayer, M. Kuhn, A. Löschel, B. Moll, A. Peichl, K. Pittel und M. Schularick (2022): „What if? The economic effects of a stop of energy imports from Russia“, Policy Brief No. 028, ECONtribute.

Fuest, C. (2022): „Folgen des Krieges in der Ukraine und wirtschaftspolitische Handlungsoptionen“, Video-Vortrag, Ifo-Institut, 22. März 2022.

Hüther (2022): „Ein Embargo gefährdete Millionen deutsche Arbeitsplätze“, Interview im Tagesspiegel, 25. März 2022.

Konrad, K. und M. Thum (2022): „Elusive effects of oil and gas export embargoes”, Working Paper.

Ockenfels, A. und A. Wambach (2022): „Putins Schachzug darf den Westen nicht aus der Ruhe bringen“, Handelsblatt, 24. März 2022.


[1] Der Argumentation von Ockenfels und Wambach (2022) folgend kann es sinnvoll sein, die verbleibenden Lieferungen in Rubel zu bezahlen; allerdings hatte sich die G7 zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Blogs dagegen entschieden.

Alexander Ludwig

Alexander Ludwig

Since 2009 I am Professor of Economics and since April 2014 I am Professor for Public Finance and Macroeconomic Dynamics at Goethe University, Frankfurt.

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